So war das: mein erster Halbmarathon

Tegernsee, ich komme
Aufwachen kurz nach sechs, noch nicht mal Paula ist wach. Dabei will ich erst gegen 9 los, aber etwas Aufregung ist eben schon da. Bereits auf der Fahrt nach Gmund am Tegernsee fängt der Nieselregen an und meine gespannte Vorfreude wechselt sich im Minutentakt mit der Verdammt, was machst du hier eigentlich-Stimmung ab, besonders auf den letzten drei Kilometern vor Gmund im Stau.
Dann endlich auf der als Parkplatz gekennzeichneten Wiese ankommen und die Entscheidung treffen, was anzuziehen ist. 17 Grad, das ist eigentlich schönste Lauftemperatur, aber es soll ja noch mehr regnen und dann wirds bestimmt kühler. So ein Halbmarathon ist ja auch nicht die übliche Laufrunde, sondern gleich mal die doppelte Entfernung. Ein Blick auf die Mitläufer hilft nicht, von hochgeschlossenem Regenschutzanzug bis T-Shirt und Hose ist alles dabei. Entscheide mich für das lange Shirt, darüber eine Softshelljacke, wobei schon jetzt klar ist, dass ich später im Ziel komplett durchnässt ankommen würde. Kurze Hose ist ok, man ist ja nicht aus Zucker.

Von Mentholsalben und Blaskapellen
Nochmal tief durchatmen, dann aber mal los Richtung Startbereich, ist ja schon viertel nach 10, gleich gehts los. Dort einiges Gedränge, Rasseln und Klappern werden verteilt, zum Anfeuern, prima Stimmung, alle gut gelaunt trotzend gegen die Wetterprognosen, ein Moderator zählt die letzten Minuten an, es riecht nach mentholhaltigen Salben (Wo schmiert man die eigentlich hin, so kurz vor dem Lauf?). Jetzt aber schnell an den bereits wartenden Spitzenläufern vorbei durch die Zuschauerreihen drängeln, um noch rechtzeitig in den hinteren Bereich der Startaufstellung gelangen. Meine selbst gesteckten Ziele für diesen Lauf sind ja a) ankommen und b) innerhalb von 2 1/2 Stunden anzukommen. Während ich noch mit vielen anderen am Rand nach hinten drängele, gehts vorne schon los. Also schnell durch die Absperrung und wieder nach vorne, auf einmal mittendrin, mitgezogen werden von der Euphorie, einfach ein irres Gefühl, in so einer riesigen Gruppe zu laufen und von den vielen Zuschauern angefeuert zu werden. Eine Blaskapelle in voller Montur kommt entgegen, seltsamer Anblick gegenüber in Funktionskleidung steckenden und nach Mentholsalben riechenden Läufern.

Follow the nice butt
Jetzt aber mal etwas langsamer machen, ich hatte mir fest vorgenommen, es nicht zu schnell anzugehen, um die 21 Kilometer durchzuhalten. Also etwas bremsen. Linus, der schwedische Mitbewohner meiner Kollegin, hatte einen Rat für mich: „Just look for a nice butt and follow!“. Gute Idee, dachte ich damals, nur dürften die wirklich nice butts deutlich schneller rennen als ich. Es läuft, beim Ortsausgang von Gmund habe ich meinen Rhythmus gefunden, es geht in einer großen Gruppe auf der Straße Richtung Tegernsee. Zahlreiche Zuschauer stehen am Straßenrand oder auf den Balkonen der Häuser und feuern uns rufend und klatschend an. Macht bis jetzt richtig Spaß hier!

Sich regen im Regen bringt Segen
In Rottach Egern treffe ich auf einen etwa Mittsiebziger, der von einer Straßenseite zur anderen hüpft und von den Zuschauern fröhlich begrüßt wird. Er scheint hier jeden zu kennen und eine lokale Berühmtheit zu sein, kein Wunder auch bei der Kondition, die der alte Herr da an den Tag legt. Der Regen hat inzwischen zugenommen und das Feld entzerrt sich mehr und mehr. Aber immerhin: am Ortsausgang habe ich die Hälfte hinter mir.
Der Rückweg auf der Westseite des Sees ist härter. Völlig durchnässt laufe ich alleine vor mich hin, und die wenigen Zuschauer, die ein paar aufmunternde Wort rufen, sind wohl Touristen auf dem Weg ins nächste Cafe, um sich dort aufzuwärmen und zu trocknen. In Bad Wiessee bei Kilometer 16 – übrigens die längste Strecke, die ich bis dahin je gelaufen war – beginnt dann der Anstieg, vor dem ich schon gewarnt wurde. Er zieht sich über vier Kilometer als Berg- und Talfahrt hin und zehrt ganz schön an meiner Substanz. Den letzten Verpflegungstand bei km 18 nehme ich zum Anlass, ein paar Meter zu gehen. Die ebenfalls durchnässten Helfer am Stand sind bereits am Abbauen, scheinbar sind die meisten Läufer schon durch. Einige Läufer kommen mir auf dem Radl entgegen, sie sind schon fertig und auf dem Heimweg. Ich freue mich auf ein heißes Bad zuhause.

Die bayerische Oberlandbahn und eine Käsesemmel
Der Anstieg hat irgendwann ein Ende und die Strecke neigt sich für die letzten 1,5 km Richtung Zieleinlauf. Wie beflügelt gehts gleich wieder schneller, auf einmal sind auch wieder ein paar Mitläufer dabei, alle euphorisch, weil es nun gleich geschafft ist. Kurz vom Schluss dann noch ein unfreiwilliger Stop, als sich die Bahnschranken direkt vor uns senken, um die BOB vorbeizulassen. Danach fröhlich-nasser Endspurt die letzten paar Meter ins Ziel. Leider ist kaum noch jemand da, um mit mir meinen ersten Halbmarathon zu bejubeln. Bei den Verpflegungsständen dränge ich mich mit einigen anderen Läufern unter einen Schirm, um bei alkoholfreiem Tegernseer und einer Käsesemmel wieder zu Kräften zu kommen. Gegenüber verfolgt eine Handvoll Zuschauer die Siegerehrung, einige regennassen Helfer räumen schon zusammen. Zurück im Auto ziehe ich trockene Sachen an, schalte die Sitzheizung ein, und versuche den Parkplatz zu verlassen, der sich Dank Dauerregen und einigen Hundert Autos in eine glitschige Schlammwüste verwandelt hat. Die Oberschenkel brennen bereits und die Knie tun weh, und ich freue mich immer mehr auf das heiße Bad sowie ein schönes kühles Weißbier.

Und jetzt?
1. Mein Ziel a) habe ich erreicht, worauf ich stolz wie Bolle bin, Ziel b) mit einer Zeit von 2 Std. 36 Minuten nur knapp verfehlt, was fürs erste Mal völlig okay ist, wie ich finde.
2. Die Knieschmerzen waren nach zwei Tagen wieder verschwunden, der Muskelkater hat noch etwas länger gehalten.
3. die nice butts in meiner Tempoklasse waren doch die schöneren … die schnellen Läufer haben nämlich in der Mehrheit gar keine butts.
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= Mein erster Halbmarathon ist geschafft. Ich denke, ich werde nächstes Jahr wieder starten, aber mit etwas mehr Vorbereitung. Und der Hoffnung auf besseres Wetter.

Hier gibts ein paar Fotos zu sehen. Einfach nach Startnummer 3030 suchen.

2 Kommentare

  1. Ach, die paar Minuten, das war doch nur die Bahnschranke! Die kannst Du abziehen! 😉
    Gratuliere Dir nochmal, bin echt beeindruckt!

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